Früher dienten Symbole als Liniensignal, wie hier zum Beispiel ein Kreuz.

Von Dreiecken und Sternen – Die historischen Liniensignale der Wiener Straßenbahn

Vor mehr als 110 Jahren wurde das Liniensignalsystem der Wiener Straßenbahn eingeführt. Zeit für eine kleine Geschichtsstunde.

Wenn wir heute auf die Bim warten, haben wir unseren Blick abwechselnd auf Smartphone und Warteanzeige. Zwischendurch drehen wir den Kopf in die Richtung, aus der das Fahrzeug unserer  Wahl kommen soll. Wenn wir es dann in der Ferne erspähen, erkennen wir an der Zielanzeigen der Bim, ob es die richtige Linie ist. Die Zahlen der Linien haben es als Spitznamen in den täglichen Wortgebrauch eines und einer jeden WienerIn geschafft. 2er oder 5er sind an dieser Stelle nur zwei Beispiele.

Die Pferdetramway fuhr bis ins Jahr 1903 in Wien.

Würden wir im Jahr 1906 auf die Tramway warten, würde das anders aussehen. Statt Handy hätten wir die neueste Ausgabe des „Neuen Wiener Tagesblatts“ in den Händen. Auf die elektrische Warteanzeige müssten wir noch 92 Jahre warten. Und wenn dann die Bim in Sichtweite auftaucht, würde sie keine Nummern tragen, sondern aus heutiger Sicht, komisch anmutende Symbole, wie Dreiecke oder Sterne.

Ein Type G mit zwei Beiwagen um 1906 am Schwarzenbergplatz.

1874: die Liniensignalisierung wird ein geführt

Die Liniensignalisierung mittels dieser Symbole wurde im Jahr 1874 eingeführt. Schon vorher wurden die Wagen mit farbigen Schildern gekennzeichnet. Die „Wiener Tramwaygesellschaft“ und das Konkurrenzunternehmen "Neue Wiener Tramwaygesellschaft" zeigten mit diesen Symbolen auf ihren Wagen das Fahrziel an. Seitlich am Dach waren zusätzliche Tafeln angebracht, die die gefahrene Route mit den wichtigsten Orten anzeigten. Die Liniensignale selbst wurden ursprünglich als Signallaternen (Durchmesser 35 cm) an der Front des Wagendaches (in der Mitte oder links) angebracht. Unsere derzeit ältesten Straßenbahngarnituren (Type E1) sind heute noch mit diesem Signalsystem unterwegs, tragen aber statt Symbolen nun Zahlen. Bei den neuen Modellen haben elektronische Anzeigen die alten Schilder abgelöst.

Bis ins Jahr 1907 gab es insgesamt 74 verschiedene Liniensymbole. Hier eine kleine Auswahl:

Sieht kompliziert aus und das war es auch. Wer zum Beispiel in die Kreuzgasse in Währing wollte, musste nach einem roten Kreuz auf weißem Hintergrund Ausschau halten. Stieg man aus Versehen in die Bim mit weißem Kreuz auf rotem Hintergrund, fuhr man nach Gersthof. Die Fahrgäste mussten damals die Symbole auswendig lernen. Nicht gerade die kundenfreundlichste Art.

Zweimal ein Kreuz, zweimal rot: ganz so übersichtlich waren die Liniensignale früher nicht.

1907: Nummernvergabe

Deshalb bekamen die Straßenbahnen im Jahre 1907 die Liniensignale und Nummer, wie wir sie heute kennen.

Die Nummern wurden folgendermaßen vergeben:

  • Die Nummern 1-20 waren den Tangentiallinien vorenthalten, also jenen Linien, die das Stadtzentrum in verschiedenen Tangenten abschnittsweise kreisförmig umfahren haben.
  • Mit den Ziffern 21-82 fuhren die Radiallinien, die stadtein- bzw. stadtauswärts fuhren.
  • Buchstaben bekamen die sogenannten Durchgangslinien, die Kombination aus zwei Radiallinien, die ihre Verbindung über eine Tangentiallinie hatten. Normalerweise befuhren Durchgangslinien einen Teil der Ringstraße. Bei den Ringlinien wurde die Fahrtrichtung Ring-Kai (im Uhrzeigersinn) mit dem Index „R“ gekennzeichnet, bei der Fahrt über Kai-Ring (also gegen den Uhrzeigersinn) gab es den Index „K“. Ab 1913 wurde der Index „R“ weggelassen. Durchgangslinien, die nicht die Ringstraße, sondern die „Lastenstraße“ befahren haben, bekamen als Index die Ziffer „2“ Daraus entstand der noch heute verwendete Begriff „2er-Linie“. Nur kurzzeitig gab es Linien, die über andere Tangentiallinien fuhren wie Beispielsweise die Linie „S8“ über den Gürtel (damalige Strecke der Linie 8).
    Heute ist die Linie „D“ die letzte Durchgangslinie, die einen Buchstaben als Linienbezeichnung trägt. Der O-Wagen hat streng genommen die „Buchstaben-Berechtigung“ verloren, seit er nicht mehr über den Franz-Josefs-Kai zum Friedrich-Engels-Platz, sondern zum Praterstern fährt. Bestenfalls könnte er historisch korrekt noch als „O2“ fahren.
  • Sonderlinien bekamen dann noch Buchstaben- / Zahlenkombinationen. In besonderen Ausnahmefällen wurde auch ohne Liniensignal, also mit „weißer Scheibe“
Die Linie 36 fuhr bis 1973 zur Börse.

Ganz so einheitlich ist das System in den vergangenen 111 Jahren nicht mehr geblieben. Die große Umstellung bei den Ring-Linien im Jahr 2008 hat sogar einige Nostalgiker aus der Reserve gelockt. Damals wurden die Straßenbahnlinien 1 und 2 mit den Linien 65, J (verkürzte Kombination aus 45 und 75) und N (Kombination aus 29 und 78) verbunden und so zu Linien, mit denen man die Stadt durchqueren kann, ohne Umsteigen zu müssen. Geplant war, analog zu den Citybussen (1A, 2A, 3A) jenen Linien, die über den Ring fahren die niedrigsten Ziffern zu geben: „1er“ und „2er“ sind heute also Durchgangslinien, die ohne Buchstaben auskommen müssen. Die Umbenennung der Linie D in „3“, der Linie 71 in „4“ und Linie O in „17“ fand nicht statt.

Die Linie 62 fährt heute noch vom Kärntner Ring nach Lainz.

Wer Lust bekommen hat, mehr über die historischen Liniensignale herauszufinden, der schaut am besten im Verkehrsmuseum Remise vorbei. Dort stehen Straßenbahngarnituren aus längst vergangenen Tagen mit den oben beschriebenen Liniensignalen.

Der Bahnhof Hernals um 1906 u.a. mit der Type G und div offenen Beiwagen.
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Kommentare (4)

  • Hallo,

    ich wollte einmal nachfragen, was es mit dem roten Sechseck in der Fahrerkabine bei den älteren Wagen auf sich hatte, bzw. welche Funktion darin lag?

    • Hallo, meinst du damit einen Knopf in der Fahrerkabine? Kannst du uns den Ort genauer beschreiben?

  • Hallo,

    nein ein Quadrat oder Sechseck in Rot in der Fahrerscheibe unten links.

    MFG

    • Danke für die Info! Unten links von der Fahrerin aus gesehen oder von vorne? Und mit älteren Zügen meinst du das Modell E1?