Nach dem Motto „Dabei sein heißt beteiligt sein – aber sicher!“ startete der 24-Stunden Frauennotruf im August 2015 eine Kampagne, um die Wienerinnen und Wiener auf die Wichtigkeit der Rolle von anwesenden Personen bei Übergriffen an Frauen im öffentlichen Raum aufmerksam zu machen. Mit konkreten Beispielen und Tipps informiert der 24-Stunden Frauennotruf auf der Website www.frauennotruf.wien.at wie in bestimmten Situationen reagiert werden kann und wie Zivilcourage gelebt werden kann, ohne sich selbst zu gefährden. Ein tolles Projekt, das wir gerne unterstützen.
Auch wir haben uns in der Vergangenheit mehrmals dem Thema Sicherheit im Allgemeinen aber auch in Bezug auf Frauen gewidmet. Auf unserer Website sowie hier auf dem Blog findet ihr zahlreiche Informationen zu unseren Sicherheitseinrichtungen, zur Videoüberwachung aber auch zu Schulungen und Vorträgen. Hier möchten wir euch auch unsere Sicherheitsplaylist auf YouTube ans Herz legen, ganz besonders dieses Video:
Notrufstelle: Im U-Bahn-Zug rasch Hilfe anfordern!
Wir haben mit der Leiterin des 24-Stunden Frauennotrufs der Stadt Wien, Mag.a Martina K. Sommer, gesprochen.
Im Rahmen des Gleichstellungsmonitors haben Sie mit Wienerinnnen unter anderem das Thema „Sicherheit für Frauen in Wien“ diskutiert. Was waren für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Dialog?
Als eine der wesentlichen Erkenntnisse aus den Wiener Dialogforen mit den Frauen in Wien haben wir mitgenommen, dass sich die Mehrheit der Frauen im öffentlichen Raum und in den Öffis in Wien erfreulicher Weise sehr sicher fühlt. Das subjektive Sicherheitsgefühl ist sehr hoch. Einig war sich aber auch die Mehrheit der Frauen, dass sie sich ein solidarisches „Aufeinander Acht geben“ der Menschen in Wien wünschen. Soll heißen, wenn eine Frau belästigt und bedrängt oder sonst wie angegriffen wird, erhoffen sich Frauen ein Einschreiten, also ein Einmischen, jener Personen, die die Situation beobachten. Je eher Frauen mit einer solidarischen Haltung der Zeuginnen und Zeugen rechnen, desto sicherer fühlen sie sich im öffentlichen Raum, natürlich auch in den Öffis.
Kann aktives Einschreiten Menschen nicht an ihre Grenzen und vielleicht in Gefahr bringen?
Aktives Einschreiten ist nicht einfach und Gefühle der Angst sind völlig verständlich. Daher wollen wir mit dieser Kampagne die Menschen in ihrer Handlungskompetenz stärken, sie informieren und sensibilisieren, wie sie effektiv und vor allem auch ohne sich selber zu gefährden, reagieren können. Zivilcouragiertes Handeln und Einschreiten ist selbstverständlich nur dann für die Person, der man zur Hilfe kommen möchte, sinnvoll, wenn man sich dabei selbst nicht gefährdet. Einschreiten kann auch bedeuten, den Notstopp zu ziehen oder die Polizei zu rufen.
Was sind Ihre Hauptanliegen in Bezug auf Sicherheit ganz allgemein, aber auch in Bezug auf die Öffis?
Besonders wichtig finde ich, dass sich Frauen und Männer bewusst machen, wie sie sich in gefährlichen Situationen in Sicherheit bringen und wie sie sich Hilfe holen können. Im Fall der Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln in Wien etwa bedeutet das konkret, dass ich mich informiere, wie ich eine Notruftaste oder die Notbremse im Fahrzeug oder die Notrufstelle am Bahnsteig betätige. Dazu haben Sie ja einige sehr informative und prägnante Schulungsvideos auf Ihrer Website, die ich für sehr geeignet halte.
Außerdem halte ich es für unerlässlich, dass sich in der Haltung der Menschen festigt, dass Gewalt an Frauen kein ausschließliches Frauenthema ist. Nein, es ist ein Thema, dass uns alle – egal, ob Frau oder Mann – etwas angeht. Sobald ich Gewalt beobachte, bin ich Teil der Situation und bin ich aufgerufen, meinen mir persönlich möglichen Beitrag zu leisten, dass diese Gewalt beendet wird. Immer unter der Prämisse, dass ich mich selbst nicht gefährde! Das setzt voraus, dass ich eine Kompetenz erworben habe, die mich in diesen belastenden Ausnahmesituationen leitet und mir zeigt, wie ich reagieren kann. Zivilcourage und richtiges Eingreifen kann gelernt werden. Daher bieten wir als 24-Stunden Frauennotruf etwa Workshops für Frauen an, wo wir uns diesen Themen widmen. Weiters informieren wir über das breite Angebot in Wien, das es – u.a. auch für Männer und Burschen – rund um das Thema Zivilcourage, Sicherheit und Gewaltprävention gibt.
Sicherheitstipps in den Öffis
Welche Sicherheitstipps können Sie Frauen bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmitteln mit auf den Weg geben?
- Wenn Sie an einer Haltestelle warten, stehen Sie am besten mit dem Rücken an der Wand und halten Sie sich nach Möglichkeit in der Nähe anderer Menschen auf.
- Setzen Sie sich nachts grundsätzlich in die Nähe der Fahrerin bzw. des Fahrers (z.B. in den ersten Waggon) oder in einen Waggon, in dem mehrere Fahrgäste sind.
- Achten Sie darauf, wer gleichzeitig mit Ihnen den Bus, die Straßenbahn oder die U-Bahn verlässt.
- Wenn Sie belästigt oder angegriffen werden, machen Sie auf sich aufmerksam! In der U-Bahn oder der Straßenbahn benutzen Sie bitte dafür die Notstprecheinrichtungen, im Bus können Sie die Fahrerin bzw. den Fahrer zur Hilfe holen. Bleibt aufgrund der Dringlichkeit der Situation für den Sprechkontakt mit der Fahrerin bzw. dem Fahrer keine Zeit, ziehen Sie die Notbremse. Die Fahrerin bzw. der Fahrer wird über die gezogene Notbremse informiert und kommt nach Anhalten in den Waggon, um nachzusehen.
- Werden Sie auf dem U-Bahnsteig belästigt, so scheuen Sie sich nicht die Notruftaste bei der Notrufstelle zu drücken. Es wird Sprechkontakt mit der Leitstelle hergestellt, die sofort Ihren Standort feststellt und die notwendige Hilfe einleitet und bei Bedarf Polizei oder Rettung verständigt.
- Sprechen Sie Fahrgäste an, sagen Sie laut, dass Sie in Ruhe gelassen werden wollen. Sprechen Sie den Täter mit „Sie“ an, damit klar wird, dass Sie die Person nicht kennen.
Wissenswertes zur Notsprecheinrichtung
Alle U-Bahnen sowie neuere Straßenbahnmodelle sind mit einer Notsprecheinrichtung ausgestattet. Bei der Betätigung der Notsprecheinrichtung melden sich die FahrerInnen und leiten weitere Schritte, wie zum Beispiel die Verständigung der Einsatzkräfte, ein.
Wissenswertes zur Notbremse
Jede U-Bahn sowie Straßenbahn ist mit einer Notbremse ausgestattet. Bei der Betätigung der Notbremse ertönt ein akustisches Signal und es wird ein Merker bei der Videoüberwachung (sofern im Fahrzeug vorhanden) gesetzt, der das Überschreiben des Videomaterials verhindert. Zusätzlich wird unser Fahrpersonal über die gezogene Notbremse informiert und kommt in den Waggon, um nachzusehen. Nach Betätigung der Notbremse kommt es nicht automatisch zum Stillstand des Zuges. Im Tunnel ist das Erreichen des Zuges im Notfall für Einsatzkräfte schwierig und deswegen aus Sicherheitsgründen zu vermeiden. Die Fahrzeuge fahren bis zur nächsten Haltestelle. Straßenbahnen und U-Bahnen, die hingegen nicht im Tunnel unterwegs sind, werden sofort eingebremst.
Wie können sich Frauen in einer Notsituation gegenseitig helfen?
Grundsätzlich und grob gesprochen gilt immer: Wenn ich Gewalt beobachte, habe ich mehrere Möglichkeiten: ich kann Hilfe holen (z.B. die Polizei unter 133 bzw. in den Öffis mit Betätigung der Notruftaste und Schilderung der Situation), der betroffenen Person Hilfe anbieten und / oder als Zeugin bzw. als Zeuge zur Verfügung stehen.
Ein paar grundlegende Tipps möchte ich an dieser Stelle aber auch noch loswerden:
- Gedankliche Vorbereitung auf bestimmte Situationen und Information zum Thema macht sicher. Eine solche „Trockenübung“ kann dazu beitragen in Notsituationen die Ruhe zu bewahren und rasch zu reagieren. Die Reaktionen der Betroffenen können sehr unterschiedlich sein, auch mit Ablehnung sollte man durchaus rechnen. Dieses Risiko sollte man aber in Kauf nehmen, da in den meisten Fällen die angebotene Hilfe erwünscht ist.
- Nehmen Sie Kontakt mit der betroffenen Person auf (z.B. Brauchen Sie Hilfe?) und nicht mit dem Täter.
- Ermutigen Sie andere Personen vor Ort, gemeinsam zu handeln. Bei Gefahr für Leib und Leben zögern Sie nicht und rufen Sie sofort die Polizei.
- Unterlassen Sie Provokationen und halten Sie Sicherheitsabstand.
- Sprechen Sie, wenn überhaupt, den Täter mit „Sie“ an, damit umstehende Personen verstehen, dass Sie diese Person nicht kennen.
- Zu guter Letzt: Beobachten Sie genau und versuchen Sie, sich das Gesicht, die Kleidung und den Fluchtweg des Täters zu merken, um dann als Zeugin der Polizei wichtige Auskünfte geben zu können.
Mehr dazu finden Sie auf unserer Website unter www.frauennotruf.wien.at. Wenn Sie rund um dieses Thema Fragen beschäftigen, rufen Sie uns unter 01/71719 an und holen Sie sich Rat und Information.
Dürfen wir Sie zum Abschluss des Interviews nochmal bitten uns den – ihrer Meinung nach – wichtigsten Sicherheitstipp für Frauen zu verraten?
An dieser Stelle möchte ich viel eher einen stärkenden Appell an die Frauen und Mädchen richten: Mein Appell ist, dass man es nicht selbst in der Hand hat, ob einem eine gefährliche Situation widerfährt oder nicht, da es ja am Täter liegt, aber dass man sich keinesfalls selbst die Schuld dafür geben soll, wenn einem Gewalt, in welcher auch Form immer, angetan wird.
Für Gewalt und Übergriffe gibt es keine Rechtfertigung, niemand hat das Recht eine andere Person einzuschüchtern, zu belästigen, anzugreifen oder sonst wie zu verletzen. Betroffene tragen keine Schuld, Opfer von sogenannter situativer Gewalt im öffentlichen Raum oder in den Öffis zu werden. Frauen, die Gewalt erfahren, sind verständlicherweise ausgesprochen belastet, ja von diesem meist völlig unerwarteten Erlebnis sogar traumatisiert. Ich rate daher den Betroffenen, sich umgehend Unterstützung und Entlastung im sozialen Umfeld und in einer professionellen Einrichtung, wie etwa dem 24-Stunden Frauennotruf, zu holen.
Die Beraterinnen des Frauennotrufs sind rund um die Uhr unter 01/71719 erreichbar, die Beratung ist kostenlos, vertraulich und auf Wunsch anonym. Psychosoziale und auch rechtliche Beratung unterstützt die Frauen das Erlebte zu ordnen, aus dem Ausgeliefertsein herauszufinden und in das selbstbestimmte Tun zu kommen. Wenn ich wieder selbst gestalten und beeinflussen kann, was geschieht, habe ich gute Chancen das Erlebte ohne Folgeschäden zu verarbeiten.
Besten Dank für das Gespräch.