Multimodalität im Test

In Großstädten wie Wien setzen Menschen immer mehr auf einen Mix aus verschiedenen Verkehrsmitteln. Im Fachjargon heißt dies „Multimodalität“.

Multimodalität liegt im Trend, deswegen haben wir den Test gemacht und uns gefragt: Wer ist schneller? Vier Leute testeten vier Möglichkeiten, von der Maria-Jacobi-Gasse im 3. Bezirk zur S45-Station Gersthof zu kommen: mit den Öffis, auf dem Fahrrad, per Auto und „multimodal“.

Die Verkehrswelt wird bunter und vielfältiger. Definierten sich früher viele Menschen über die Methode ihrer Fortbewegung – „Ich bin Autofahrer/Radlerin/Bahnfahrer“ –, so ist mittlerweile klar, dass ein und derselbe Verkehrsteilnehmer oft auf mehrere Arten unterwegs ist. Dabei kann es zu völlig unterschiedlichen Kombinationen kommen: mit dem Klapprad zur Straßenbahn oder mit dem Tretroller zum Bus; wer einpendelt, lässt das Auto am Stadtrand stehen und nimmt U-Bahn oder Schnellbahn, und wer selbst in der Stadt wohnt und keinen eigenen Wagen besitzen will, fährt mit einem der vielen Carsharing-Mobile.

Statt „Nur-Öffi-Fahrer“ oder „Nur-Fahrrad-Fahrer“ wird kombiniert. Innovative Großstädte setzen auf multimodalen Verkehr.

Dank moderner Technik lassen sich sämtliche Verkehrsmittel optimal kombinieren. Praktische Apps zeigen den Userinnen und Usern den genauen Standpunkt von Carsharing-Fahrzeugen, auf Knopfdruck kann man sehen, an welchen Stationen sich noch freie Citybikes befinden, oder man kann den Fahrplan der Öffis ablesen. Wer mit dem eigenen Auto unterwegs ist, kann sogar freie Parkplätze mit seinem Smartphone abrufen. Das Rückgrat der multimodalen Mobilität aber sind die Öffis. Ihre Bahnhöfe und Stationen mutieren zu vielseitigen Verkehrsknotenpunkten mit Leihstationen für Fahrräder und Parkplätze für Carsharing. Um dieses multimodale Angebot attraktiver zu machen, suchten sich die Wiener Linien Kooperationspartner und entwickelten die WienMobil-Karte. Ein kleiner Alleskönner, mit dem Carsharing, Citybike, Parkgaragen und Öffis genutzt werden können – alles wird über eine Karte gebucht und abgerechnet.

Die WienMobil-Karte wurde gemeinsam mit Partnern entwickelt.

Auf dem Weg in die Arbeit und von dieser nach Hause sind mehrere Faktoren wichtig. Einerseits ist es eine Kostenfrage. Wer das Auto nimmt, täglich Parkscheine oder Garagengebühren bezahlt, hat hohe Kosten zu tragen. Wesentlich günstiger ist es dann, nur sporadisch auf das Auto zurückzugreifen, in Form von Carsharing. Bei DriveNow bezahlt man 27 Cent/Minute. Noch günstiger: die Jahreskarte. Mit 1 Euro/Tag ist sie selbst im internationalen Vergleich ein wahres Schnäppchen. Am billigsten kommt aber natürlich das Fahrrad. Wer nicht mit dem eigenen Drahtesel unterwegs sein möchte, nimmt sich eines der 1.500 Citybikes – in der ersten Stunde ist es gratis, die zweite Stunde kostet 1 Euro. Außerdem ist die Umweltbilanz ein ganz entscheidender Faktor. Auch hier hat das Fahrrad klar die Nase vorne. Der aber wahrscheinlich wichtigste Grund bei der Entscheidung für ein Verkehrsmittel ist die Dauer der Fahrt.

Wien Mobil wollte es daher genau wissen und schickte vier Wienerinnen und Wiener auf die Straße: Felix, Brigitte, René und Lisa traten im direkten Vergleich gegeneinander an.

Lisa, René, Felix und Brigitte absolvierten den Test - sie alle mussten vom 3. Bezirk zur S-Bahn-Station Gersthof gelangen - mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln sowie multimodal.

Gewählt wurde eine längere Strecke, um zu testen, mit welchem Verkehrsmittel man in Wien am schnellsten unterwegs ist, und bei der die Verwendung von mehreren unterschiedlichen Verkehrsmitteln sinnvoll erscheint. Vom Media Quarter Marx (Maria-Jacobi-Gasse 1 in Wien-Landstraße) bis zur S45-Station Gersthof – genauer gesagt: bis zum dort befindlichen Kaffeehaus, wo die vier Tester einander trafen. Das Ganze nachmittags nach Büroschluss, in der klassischen Berufsverkehrszeit, die die meisten Wienerinnen und Wiener betrifft. Felix fuhr ausschließlich mit den Öffis, Brigitte mit ihrem Auto, René schwang sich auf sein Fahrrad und Lisa probierte einen Mix aus allen dreien: Carsharing, Citybike von der Leihradstation und U-Bahn.

Wie bewegten sich die TesterInnen fort?

Fahrrad war Sieger

René trotzte Wind und Wetter und schwang sich auf seinen Drahtesel. Der Radweg am Donaukanal entschädigte jedoch für die kalte Fahrt.

René schaffte die Strecke in 33 Minuten – schneller war niemand. Und das auf einem traditionellen Fahrrad – nix Elektro, nur treten. „Trotz Kälte und Wind war es gar nicht so übel“, berichtet er. René fuhr zunächst zum Radweg neben dem Donaukanal: Erdberger Lände, Weißgerberlände, Dampfschiffstraße, Franz-Josefs-Kai und schließlich die Rossauer Lände bis zur Alserbachstraße. „Das ging flott wie immer“, sagt der erfahrene Radler. Auch wenn er ab da seinen Weg mit anderen Verkehrsmitteln teilen musste, kam René auch hier gut voran. Bei der Nussdorfer Straße ging’s kurz nach links und dann wieder rechts die Fuchsthallergasse bis zum Gürtel, wo er in die Gentzgasse wechselte. „Obwohl dort kein Radfahrstreifen markiert ist, war ich auch dort recht gut unterwegs“, berichtet René, der sich die erste Melange gönnen durfte.

Öffis auf Platz Zwei

Felix kam als Zweiter ins Ziel. Der passionierte Öffi-Fahrer wählte die stressfreie Variante: U-Bahn und Schnellbahn, beide Male ein Sitzplatz und kein Frieren.

Öffi-Fahrer Felix kam als Zweiter an: „Ich hatte ganz prompte Verbindungen.“ Neun Minuten zu Fuß bis zur U3-Station Schlachthausgasse, die Stiege hinunter zum U3-Bahnsteig, und dort kaum angekommen, fuhr auch schon der Zug ein. Bis zur Endstation Ottakring sind es 15 Stationen. „Da konnte ich meine Zeitung lesen und per WhatsApp meinen Kinotreff für den Abend ausmachen“, erzählt Felix. Wie im Fahrplan vorgesehen, benötigte der Zug 20 Minuten. Als er die Stiegen zur S45-Station Ottakring hinaufgegangen war, wurde der Zug in Richtung Handelskai durchgesagt. Sechs Minuten später traf er im Café auf René – die ganze Fahrt hatte samt Umsteigen exakt 37 Minuten gedauert.

Auto wird Dritter

Brigitte ist am liebsten im eigenen Wagen unterwegs. Und wie der Vergleich zeigt: Auch im Auto ging es auf der "Teststrecke" gut voran. Brigitte erreichte das Ziel als Dritte.

Eine knappe Minute danach kam Brigitte an. Sie hatte ihr Auto gleich neben dem Start kostenpflichtig in der Viehmarktgasse abgestellt und sodann die Gürtel-Route gewählt: „Dort bin ich dann im ersten Stau gelandet.“ Es sollte nicht der letzte sein: „Besonders arg hat es mich vor dem Westbahnhof erwischt“, berichtet Brigitte. Bei der Volksoper versuchte sie, in die Gentzgasse einzubiegen. Dort staut es unter der U6-Trasse auch außerhalb der Stoßzeiten zurück. Die Gentzgasse ging es dann recht zügig entlang bis zu deren Ende bei der S45-Station, wo allerdings das dicke Ende wartete: Parkplätze sind in dieser Gegend rar. Währing ist – noch – kein „Pickerlbezirk“. Brigitte: „Mein Auto konnte ich erst einige hundert Meter weiter in der Gersthofer Straße in einer Kurzparkzone abstellen.“ Nachdem sie den Weg zum Ziel zu Fuß absolviert hatte, waren vom Start genau 38 Minuten vergangen.

Kombi in 44 Minuten

Und Lisa? Sie hatte die vielfältigste Art der Fortbewegung gewählt – mit einer WienMobil-Karte zur Unterstützung. Die Wienerin startete mit einem Carsharing-Auto von DriveNow, einem Partner der Wiener Linien. Mit der WienMobil-Karte war der Wagen schnell startklar: an die Scheibe halten, öffnen, losdüsen. Und zwar bis zur U6-Station Gumpendorfer Straße: über die Landstraßer Hauptstraße zum Rennweg Richtung stadteinwärts. Am Schwarzenbergplatz bog Lisa in die ehemalige Zweierlinie ein und am Karlsplatz zur Wienzeile ab: „Dort staute es dann ziemlich.“ Weiter ging’s bis zur Hofmühlgasse und dann die Gumpendorfer Straße bis zur U6-Station. „Dort parkte ich meinen kleinen Elektroflitzer ein und nahm die U6.“

Lisa probierte die aufwendigste Variante aus. Die erste Etappe absolvierte sie mit dem E-Auto von DriveNow.

Diese brachte sie in elf Minuten bis zur Volksoper, wo sich eine Citybike-Station befindet. Auch die Leihfahrräder bekommt man mit der WienMobil-Karte – in das Terminal einstecken, abbuchen, fertig. „Ab da war es nur eine knappe Viertelstunde bis zur S45-Station Gersthof, wo ich mein Fahrrad wieder abstellte.“ Bei den ersten drei langte sie in 44 Minuten an.

Die letzte Etappe absolvierte Lisa dann noch mit einem Citybike.

Multimodal unterwegs

Lisa war die klassische Vertreterin des „multimodalen Verkehrs“, also der Verwendung mehrerer Arten von Verkehrsmitteln, um eine Strecke zurückzulegen. Die Bezeichnung stammt ursprünglich aus dem US-amerikanischen Gütertransportwesen und beschrieb die Beförderung von Produkten per Eisenbahn, LKW und Schiff in standardisierten Containern.

Klaus Bamberger, Experte der Wiener Linien: „In der Stadt ist jeder Mensch multimodal unterwegs – beispielsweise mit den Öffis und zu Fuß.“
Klaus Bamberger, Experte der Wiener Linien: „In der Stadt ist jeder Mensch multimodal unterwegs – beispielsweise mit den Öffis und zu Fuß.“

„Der multimodale Verkehr macht in Wien aber auch Sinn, weil Wien einen sehr guten öffentlichen Verkehr hat, mit dem die meisten Fahrten erledigt werden können. Gibt es fallweise etwas zu transportieren oder wartet ein Ausflug ins Grüne, sind Carsharing-Optionen die beste Wahl. Rad oder Taxi sind weitere sinnvolle Mobilitätsformen. In Summe ist man flexibel und rundum mobil.“ sagt Klaus Bamberger, Experte der Wiener Linien.

Vom vielfältigen Mobilitätsmix profitieren jene Personen am meisten, die mit einem Auto weniger im Haushalt genauso mobil bleiben. Bamberger: „Man wählt jenes Angebot, das man gerade braucht, profitiert von geringen Fixkosten und schont Geldbörse und Umwelt.“ Und einen weiteren positiven Nebeneffekt hebt der Experte hervor: „Wer mit Bus, Bim oder U-Bahn unterwegs ist, wiegt im Durchschnitt um zwei bis drei Kilo weniger als ein Autofahrer.“ Öffi-Benützerinnen und -Benützer bewegen sich mehr als motorisierte Verkehrsteilnehmer und „leben daher gesünder“. Ähnliches gilt wohl auch für Radfahrerinnen und Radfahrer.

Nach Bambergers Theorie müssten etliche Wienerinnen und Wiener gesünder unterwegs sein als noch vor gut 20 Jahren: Der Anteil der Autofahrten an allen in Wien zurückgelegten Wegen ist in den vergangenen Jahrzehnten drastisch gesunken. Betrug dieser 1993 noch 40 Prozent, so sind es nun nur noch 27 Prozent. Nahezu im selben Ausmaß kletterte der öffentliche Verkehr in die Höhe: von 29 auf 39 Prozent. Zugelegt hat auch das Fahrrad, das seinen Anteil von drei auf sieben Prozent mehr als verdoppeln konnte. Bamberger führt übrigens den starken Zuspruch für die Öffis nicht nur auf den extrem niedrigen Preis der Jahreskarte zurück: „Wir haben eine hohe Dichte bei Intervallen und Haltestellen und ein extrem gutes Image.“ Mehr als 90 Prozent aller Wienerinnen und Wiener finden in 300 bis 500 Meter Entfernung von der eigenen Wohnung eine Haltestelle vor.

Den Wiener Linien liegt viel daran, die Multimodalität zu fördern. So sollen die Kooperationen mit Carsharing-Anbietern und den Citybikes ausgebaut werden: Hier wird nicht nur an neuen Informationsmedien wie den bereits erwähnten mobilen Apps gearbeitet, sondern auch an modernen Buchungsmöglichkeiten. Bereits jetzt erhält man über die WienMobil-Karte (Jahresgebühr 377 statt 365 Euro für die Jahreskarte) beispielsweise Zugang und Vergünstigungen für Citybikes, bei DriveNow-Carsharing, in WIPARK-Garagen oder im Flughafenzug CAT. Und genau das ist das Ziel in Wien: das passende Angebot für jedes Mobilitätsbedürfnis in der Bevölkerung zu entwickeln.

Dieser Text stammt aus Wien Mobil.

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