No sleep till Nordbahnviertel: eine Fahrt mit der Linie O

Eine Fahrt mit der Straßenbahnlinie O zwischen Raxstraße/Rudolfshügelgasse und Bruno-Marek-Allee dauert etwas mehr als 40 Minuten. Wir haben die tollsten Sightseeing-Spots entlang der Strecke für euch ausfindig gemacht.

 

Wer in Wien auf die Straßenbahn „Null“ wartet, der wartet vergeblich – eine Linie mit dieser Bezeichnung gibt es nämlich nicht. Sehr wohl gibt es aber einen „O“, wie Otto, was bei TouristInnen und neu in Wien lebenden Menschen regelmäßig zu Verwirrung führt. Das ist verständlich, schließlich sind im Wiener Straßenbahnnetz eigentlich nur Linien mit Nummernbezeichnungen zu finden. Eine Ausnahme bilden die Linien O und D, die der einheitlichen Benennung der Straßenbahnlinien einen Strich durch die Rechnung machen. Heute wollen wir herausfinden, was dahintersteckt und was uns entlang der Linie O sonst noch erwartet. Dazu nehmen wir euch mit auf eine Reise zwischen den beiden Endhaltestellen Raxstraße/Rudolfshügelgasse und Bruno-Marek-Allee.

Ab in den Süden

Zu Beginn unserer Fahrt befinden wir uns im 10. Bezirk, im Süden Wiens. Die Linie O hält in Fahrtrichtung Bruno-Marek-Allee an insgesamt 24 Haltestellen – Zeit genug, um es sich bequem zu machen! Bevor wir aber in die Bim einsteigen, lohnt sich ein kurzer Fußweg zum bekannten Jean-Jaurès-Hof, benannt nach dem französischen Sozialisten, der gleich in der Nähe der Haltestelle Raxstraße/Rudolfshügelgasse liegt. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert haben sich große Massen an Arbeitern in Favoriten angesiedelt, die hier in der Wienerberger Ziegelfabrik gearbeitet oder am Bau der Südbahn beteiligt waren. Um Wohnmöglichkeiten zu schaffen, wurden im „Arbeiterbezirk“ große Siedlungen und Wohnhausanlagen gebaut wie der Jean-Jaurès-Hof, in dem sich 383 Wohnungen befinden. Heute ist Favoriten mit ungefähr 200.000 Einwohnern der bevölkerungsreichste Bezirk Wiens.
Mit der Linie O passieren wir wichtige Orte des 10. Bezirks, wie den Quellenplatz und den Columbusplatz. Letzterer ist nach dem berühmten Seefahrer Christoph Columbus benannt, der Columbushof (Hausnummer 6) erinnert ebenfalls an den Entdecker. Nur einen Katzensprung entfernt befindet sich der Wiener Hauptbahnhof, einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Stadt.

Die schöne Aussicht & das Frühstück im Grünen

Wir führen unsere Fahrt fort und halten wenige Minuten später an der Haltestelle Quartier Belvedere. An der Frage, ob man das Schluss-„e“ in Belvedere auslässt oder nicht, sind schon Freundschaften zerbrochen. Die Antwort: Belvedere heißt „schöne Aussicht“ auf Italienisch, deshalb wird das „e“ ausgesprochen.Die Haltestelle kann als Ausgangspunkt für einen kurzen Spaziergang zum berühmten Schloss Belvedere dienen. Die Sehenswürdigkeit zählt zu den schönsten barocken Bauwerken Europas und beherbergt eine bedeutende Kunstsammlung. Im Oberen Belvedere sind Gemälde von Gustav Klimt ausgestellt, zu sehen gibt es zum Beispiel das bekannte Werk „der Kuss“. Einen Besuch wert sind auf jeden Fall der Schlossgarten und der älteste Alpengarten Europas, der ebenfalls auf dem Areal des Belvedere liegt.Ein Umstieg ist hier auf die Linie D möglich, die entlang des Schlossparks Richtung Innenstadt unterwegs ist. Welche Sightseeing-Schmankerl es auf der Route dieser Straßenbahn zu entdecken gibt, könnt ihr in diesem Blogbeitrag nachlesen. Das nächste Grün wartet bereits an der Haltestelle Fasangasse auf uns: der Schweizergarten.

Der Schweizergarten an der Station Fasangasse. (Foto: Gugerell [CC0])

Mit der Linie O auf Entdeckungsreise im dritten Bezirk

Inzwischen schlängelt sich der O-Wagen durch den dritten Bezirk, vorbei an den Haltestellen Kölblgasse und Rennweg. Steigt man am Rennweg aus und nimmt wenige Gehminuten in Kauf, kann man die Russisch-Orthodoxe Kathedrale zum heiligen Nikolaus mit ihren goldenen Zwiebeltürmen bewundern. Hier begegnet uns übrigens wieder der berühmte Jean Jaurès: Die Kirche befindet sich an der Adresse Jaurèsgasse 2.

Die russisch-orthodoxe Kathedrale im dritten Bezirk. (Foto: Bwag [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)])

Die Ungargasse, deren Straßenverlauf die Linie O folgt, wird von einer Reihe von sehenswerten historischen Gebäuden gesäumt. Am besten nimmt man seine Erkundungstour hier zu Fuß auf und liest die verschiedenen Gedenk- und Hinweistafeln an den Häuserfassaden. Zu entdecken gibt es unter anderem die ehemaligen Wohnhäuser von Schriftstelle Robert Musil (Hausnummer 17) und Komponist Johannes Brahms (Hausnummer 2). Musikalisch geht es auch in der Ungargasse 5 weiter, wo der Komponist Ludwig van Beethoven seine 9. Symphonie vollendete, die als Europäische Hymne weltweit bekannt ist.

Die Linie O nimmt uns weiter mit durch den dritten Bezirk, vorbei an der Station Wien Mitte-Landstraße, von wo aus man einen Abstecher in den nahegelegenen Stadtpark machen kann. Zwischen Landstraße und Radetzkyplatz lassen wir den Charme des gemütlichen Wohnbezirks auf uns wirken. Vom Radetzkyplatz aus ist das berühmte Hundertwasserhaus nicht weit: Entweder man steigt in die Straßenbahnlinie 1 um und fährt eine Haltestelle weiter oder legt die kurze Strecke zu Fuß zurück. Die bunte Außenfassade des architektonischen Highlights lockt täglich viele Interessierte zur Ecke Löwengasse/Kegelgasse.

Wurstelprater und Grüner Prater

Weiter geht es Richtung Bruno-Marek-Allee. Wir überqueren den Donaukanal über die Franzensbrücke und sehen auch schon das Bahnhofsgebäude Praterstern vor uns, hinter dem sich das Wiener Riesenrad erspähen lässt. Das Wahrzeichen Wiens wurde im Jahr 1897 eröffnet und lockt seit damals jedes Jahr tausende BesucherInnen in den sogenannten Wurstelprater. Doch auch der angrenzende, weitläufige Prater – auch Grüner Prater genannt – ist nur einige Gehminuten vom Praterstern entfernt und lädt zum Spazierengehen oder Sporteln ein. Der Praterstern hat seinen Namen übrigens aufgrund der damals hier sternförmig zusammenlaufenden sieben Straßen.

Das Nordbahnviertel ist im Kommen

Seit Anfang Oktober 2020 fährt die Linie O von ihrer bisherigen Endhaltestelle am Praterstern weiter über die Nordbahnstraße, Am Tabor und die Bruno-Marek-Allee entlang bis zum neuen Bildungscampus Christine Nöstlinger in der Taborstraße. Besonders ist hierbei das Grüngleis, das die neue Strecke sehr umweltfreundlich macht, da es neben der Aufwertung des Stadtbildes auch als Wasserspeicher wirkt und die Staubbelastung in der Umgebung senkt.

Das Gelände des ehemaligen Nordbahnhofes ist mittlerweile eine der größten innerstädtischen Entwicklungszonen Wiens und bis 2025 werden dort rund 20.000 neue BewohnerInnen leben. Nach knapp 40 Minuten steigen wir bei der Endhaltestelle Bruno-Marek-Allee aus, unsere Spazierfahrt mit dem O-Wagen ist damit zu Ende. Noch nicht geklärt haben wir allerdings das Rätsel rund um die Bezeichnung der Bim: Warum heißt der O nun eigentlich O?

Geschichte auf Schienen: Liniensignalisierung

Hätte der O-Wagen einen Geburtstag, dann wäre es wohl der 9. April 1907: An diesem Tag wurde die Linie zum ersten Mal in Betrieb genommen. Die Geschichte der Wiener Straßenbahn beginnt aber schon viel früher und damit auch die Liniensignalisierung. Das Liniennetz wurde damals in Rund- und Radiallinien, die mit Zahlen bezeichnet wurden und in Durchgangslinien, die mit Buchstaben gekennzeichnet wurden, eingeteilt. Der ehemalige Linienverlauf der Linie O zeigt, dass es sich ursprünglich um eine Durchgangslinie gehandelt hat und sie deshalb mit einem Buchstaben versehen wurde. Obwohl der O heute nicht mehr als Durchgangslinie zählt, durfte er seinen Namen behalten. Die einzige wirkliche Durchgangslinie, die auch heute noch eine korrekte Bezeichnung trägt, ist die Linie D.

Das macht den O zu einer ganz besonderen Linie, die entlang ihrer Strecke viel Sehenswertes parat hält. Wir wünschen euch viel Spaß bei eurer nächsten Fahrt mit der Linie O – Es lohnt sich, die Augen offen zu halten!

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Kommentare (1)

  • Richtig, die Linie D ist die einzige wirkliche Durchgangslinie, die auch heute noch eine korrekte Linienbezeichnung trägt. Stellt sich natürlich die Frage, warum die anderen (neu installierten) Durchgangslinien das nicht tun – die Linien 1 und 2 müssten eigentlich auch Buchstaben tragen. Anbieten würden sich ob ihrer Bedeutung neben A und B (wobei das dem ursprünglichen Verlauf dieser beiden Linien nicht entspricht) natürlich auch die Buchstaben jener Linien, die in ihnen aufgegangen sind, also J und N. Wäre eine schöne Reminiszenz an das eigentliche System, das sich ja bis heute bewährt. Und es ist auch für Touristen nicht unübersichtlicher als mit Ziffern: Die richten sich nämlich einfach nach den Gegebenheiten und steigen in die Linien ein, die sie zum gewünschten Ort bringen, unabhängig davon, ob das jetzt der 1er oder der J-Wagen ist.