Einmal, erzählt Lieselotte Scheibenpflug, hätte ihr ein Anrufer beinahe einen Heiratsantrag gemacht. Dass sie ihm aufmerksam zugehört habe, erinnert sie sich, habe den Mann beeindruckt. „Ein lieber, netter Herr, der aber eingesehen hat, mit 89 wohl zu alt für mich zu sein.“ Scheibenpflugs Telefonnnummer findet sich schnell im Internet: Unter 01/7909 100 erreicht man sie und ihre KollegInnen vom Servicetelefon der Wiener Linien werktags zwischen 6 und 22 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen ab 8 Uhr. „Die Spätschicht kommt meinem Naturell eher entgegen“, sagt Scheibenpflug, deren wichtigste Arbeitsgeräte das Headset und der Computer sind. 14 Schreibtische stehen im Großraumbüro in Erdberg, im Moment sind vier davon besetzt.
Ein Monitor an der Wand gibt Details der „Agent Performance“ seit Dienstbeginn an: 295 Anrufe sind in acht Stunden eingegangen, in der Warteschleife hängt derzeit niemand. Scheibenpflug hat inzwischen eine Lehrerin in der Leitung, die ihren Laptop in einer Station hat stehen lassen. „Sie haben ja schon mit meinem Kollegen gesprochen“, sagt sie mit einem Blick zu Büronachbar Norbert Zabka, der daraufhin nickt. „Der Stationswart ist auf der Suche.“

Fragenkatalog im Kopf
Zabka, der seit sechs Jahren am Servicetelefon sitzt, ordnet den Vorfall den gewöhnlicheren Anfragen zu: „Wir hatten schon Anrufe wegen vergessener Kinderwagen, Rollstühle, Gebisse und Türrahmen.“ Im Dezember habe sich eine aufgeregte ältere Dame gemeldet. Ihr fünfjähriges Enkelkind war selbstständig in den 58er Richtung Westbahnhof eingestiegen und, zuerst unbemerkt von der Großmutter, abgefahren. Zabka hat für solche Momente einen Fragenkatalog im Kopf, den er gewissenhaft abarbeitet: Wie alt ist das Kind? Was hat es an? Wann ist es eingestiegen? Handelte es sich um einen alten oder neuen Straßenbahntyp? „Und dann“, sagt Zabka, „rufe ich die Leitstelle an“, deren MitarbeiterInnen per Funk zu den in Frage kommenden Fahrern Kontakt aufnähmen. Nicht nur das vergnügte Enkerl habe man rasch gefunden, überhaupt sei Schnelligkeit im hoch frequentierten Netz eine Prämisse.

„Wenn Fahrgäste einen medizinischen Notfall melden, sind die Einsatzkräfte innerhalb von drei Minuten vor Ort.“ Die meisten Anrufe freilich, die Zabka und seine KollegInnen erhalten, sind weniger dramatischer Natur. Bitten um Fahrzeit- und Tarifauskünfte sind die Klassiker, viele fragen nach der schnellsten Verbindung von A nach B. Seine genauen Kenntnisse über Straßenverläufe, Haltestellen und Umsteigemöglichkeiten, die Zabka in 15 Jahren als Buslenker gesammelt hat, kommen ihm hier zugute.

Wobei Hilfsmittel erlaubt seien, sagt er mit einem Blick auf den Gesamtnetzplan über seinem Schreibtisch. Viele Fragen lassen sich mithilfe des Online-Routenplaners beantworten. Spätestens mit dem Start der Smartphone-App „qando“ war man in der Abteilung davon ausgegangen, dass fortan hauptsächlich ältere Menschen das Servicetelefon nutzen würden. Falsch gedacht, sagt Zabka: „Vom Schüler bis zum Pensionist ruft uns noch immer jeder an.“ Dass eine kostenlose Servicehotline oft die erste Anlaufstelle für Beschwerden ist, kratzt ihn dabei nicht besonders. „Wir haben alle gelernt, das nicht persönlich zu nehmen“, sagt Zabka. Vielen gehe es vor allem darum, ihren Frust loszuwerden – „und hinterher bedanken sie sich für das Gespräch.“

Dass man am Kundentelefon mitunter als Seelsorger tätig werde, bestätigen auch Zabkas Vorgesetzten. „Gerade in der Weihnachtszeit rufen viele einsame Menschen an“, sagt Supervisor Martin Horvath. Und Referatsleiter Franz Schwarz ergänzt: „Für den Kundendienst braucht man eine positive Grundeinstellung.“ Mitarbeitern, die sich durch besondere Freundlichkeit auszeichnen, passiere es auch, dass ein Anrufer namentlich nach ihnen verlange. Davon kann Lieselotte Scheibenpflug ein Lied singen.

Quelle: VORMagazin. Text: Mareike Boysen, Fotos: Stefan Diesner
Kommentare (6)
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Der Einzelfahrschein gilt 1 Stunde. Ich kann also binnen einer Stunde sowohl zum Pkt X hinfahren und wieder zurück. Ich kann kreuz und quer eine Stunde lang fahren. Danke für Ihre Anwort.
Nein, der Einzelfahrschein gilt ab der Entwertung für eine beliebig lange Fahrt in eine Fahrtrichtung (nicht hin und zurück!). Dabei können Sie beliebig oft umsteigen, Sie dürfen die Fahrt aber nicht unterbrechen.
Wenn Sie eine zeitbegrenzte Fahrkarte möchten, wäre das 90-Min-Ticket eine Alternative. Dieses Ticket gibt es aber nur online über die Ticket-App zu kaufen. Mit dem 90-Min-Ticket können Sie die Fahrt auch unterbrechen und in alle Richtungen fahren.
War grad im Zug 3855 um 23.00 u4. Es gab einen Konflikt am Bahnsteig, der U Bahn Fahrer haz sich gekümmert. Auch wenn es zu einer kurzen Verzögerung kam, dinde ich sowas wichtig. Danke.
Danke für dein Feedback!
Ich möchte den Fahrerinnen und Fahrern insbesondere der Straßenbahnen danken für Ihre Umsicht und Geduld. Heute kurz vor der Haltestelle Spitalgasse stadtauswärts ging z.b. eine junge Frau gemächlich über die Geleise ohne sich durch die Warnung der Bim irritieren zu lassen. Auf meine Bemerkung, dass heute wohl besonders viele Trotteln unterwegs seien entgegnete die Fahrerin, dass sie wohl keine Idioten wären, nur besonders frech. Vermutlich hatte sie sehr recht, obwohl ich schon denke, dass ein gewisses Maß an Vertrotteltheit zu so einem Verhalten dazu gehört.
Danke, viele Grüße, Antonia Kriks