Seit 2011 ist Alexandra Reinagl als erste Frau in der Geschäftsführung der Wiener Linien tätig. Anlässlich des internationalen Weltfrauentags am 8. März haben wir mit ihr über Gleichberechtigung und Frauenförderung bei den Wiener Linien gesprochen.
vormagazin: Welche Bedeutung hat der Weltfrauentag für Sie?
Alexandra Reinagl: Für mich steht dieser Tag symbolisch für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Bei den Wiener Linien ist gleiche Bezahlung für den gleichen Job, sowie die gleichen Aufstiegschancen für Frauen und Männern selbstverständlich. Ich wünsche mir jedoch, dass noch mehr Frauen ihren Träumen folgen und ihren Traumjob ausüben – vor allem wenn es ein technischer Berufswunsch ist!
Wie können Unternehmen zur Gleichberechtigung beitragen?
Neben dem gesellschaftlichen Grundrauschen hat auch die Unternehmenskultur einen großen Einfluss darauf, was geht und was nicht. Rücksichtnahme bei der Diensteinteilung, Nachtkindergarten, Ferienbetreuung und Elternkarenz richten sich bei den Wiener Linien deshalb bewusst nicht nur an ein Geschlecht – das ist mir seit Beginn meiner Funktion als Geschäftsführerin sehr wichtig. Auch in Führungspositionen sehe ich es gerne, wenn Männer wie Frauen in Karenz gehen. Denn von den Erfahrungen, die sie in dieser Zeit machen, profitieren sie auch beruflich.
Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die bei den Wiener Linien im
Bereich der Frauenförderung umgesetzt werden?
Vereinbarkeit von Karriere und Familie sehen wir als Chance für alle MitarbeiterInnen. Wir ermuntern technikinteressierte Frauen, die Karriereleiter zu erklimmen und unterstützen genauso Väter, die in Elternkarenz gehen wollen. Wir achten bei Nachbesetzungen und Postenausschreibungen auf die richtige Ansprache – nicht jedes Wording spricht Frauen an – und verfolgen die Hearings sehr genau. Wenn sich keine Frauen bewerben, gehen wir dem nach und suchen aktiv weiter. Die Begründung „In dem Bereich gibt es halt keine Frauen“ lassen wir so einfach nicht gelten. Wir prüfen die äußeren Rahmenbedingungen aber auch das Mindset der Führungskräfte und der Teams, ob sie für Frauen und Männer gleichermaßen passen. Es sind oft Kleinigkeiten, die den Boden für die Gleichbehandlung holprig machen. Mir war es immer wichtig, die Frauen vor den Vorhang zu holen. Gerade im technischen Bereich sind wir teilweise noch dünn mit Frauen besetzt, aber jene die da sind, finden auch nicht immer die notwendige Beachtung. Da braucht es eben Führungskräfte, die die richtige Sensibilisierung aufweisen. Frauen gehören aber auch ermutigt, „auffallender“ nach außen aufzutreten.

Wie hat sich der Frauenanteil im Unternehmen in den vergangenen
Jahren entwickelt?
Insgesamt liegt der Frauenanteil mit Ende 2020 im Gesamtunternehmen bei noch niedrigen 14,2 Prozent. Schaut man sich die Führungsebene im Topmanagement an, dann liegt die Frauenquote bei 33,3 Prozent. Es gibt also noch viel zu tun! Im Fahrdienst wird fast jede siebte Straßenbahn von einer Frau gefahren – bis in die 90er Jahre war das aber noch gar nicht möglich. Inzwischen schaffen wir es, den Frauenanteil jährlich leicht zu steigern. In der Hauptabteilung Bau- und Anlagenmanagement konnten wir mit 1.272 MitarbeiterInnen den Anteil der weiblichen Führungskräfte auf 37,5 Prozent erhöhen. Schritt für Schritt bewegen wir uns so in die richtige Richtung.
Wie kann es gelingen, Frauen für technische Berufe zu begeistern?
Ein großes Problem ist, dass der Frauenanteil an den technischen Universitäten und Schulen sehr gering ist. Dementsprechend schwierig ist es für uns auch, Frauen in der Technik zu rekrutieren. Wir vernetzen uns aktiv mit Frauenkarrierenetzwerken, ermutigen am Töchtertag Mädchen, technische Berufe zu erlernen. Seit eineinhalb Jahren gibt es gemeinsam mit dem AMS die Möglichkeit, eine Umschulung im Programm FiT (Frauen in der Technik) zu machen. Hier haben wir derzeit neun wirklich motivierte Frauen, die am zweiten Bildungsweg die verkürzte Elektrotechniklehre bei uns machen. Das Pilotprojekt ist so erfolgreich, dass wir im Herbst in den nächsten FiTLehrgang starten werden.
Was raten Sie Frauen, die einen technischen Beruf ergreifen wollen?
Ich habe erst kürzlich mit einer der Frauen aus dem FiT-Programm gesprochen, die vorher einen ganz anderen Job ausgeübt hat, der ihr eigentlich keinen Spaß machte. Sie wusste aber schon immer, dass sie etwas mit Technik machen möchte und ist jetzt überglücklich, bei den Wiener Linien zu sein, bei einem Unternehmen, das auch in einer Pandemie einen sicheren Job bietet und noch dazu sehr abwechslungsreich ist. Wir freuen uns in allen Bereichen über so motivierte Mitarbeiterinnen, die mit uns gemeinsam für die klimafreundliche Mobilität arbeiten wollen. Besonders glücklich bin ich, wenn talentierte Frauen eine technische Karriere starten wollen. Ich sage ihnen: Nur Mut, wir freuen uns auf Sie!
Dieses Interview erschien im VORmagazin 03/2021