Emma Wenda an ihrem 106. Geburtstag

Emma Wenda, die 107-jährige Schaffnerin

Sie hat schon SS-Offiziere aus der Bim geworfen: Emma Wenda war von 1940 bis 1970 Schaffnerin und ist eine der ältesten lebenden Mitarbeiterinnen der Wiener Linien.

Emma Wenda hat gerade ihren 107. Geburtstag gefeiert. Sie sitzt zufrieden auf der Terrasse im Pensionistenhaus Laaerberg. Mit Unterstützung ihrer Lieblingsnichte Renate erzählt sie uns von ihrem Leben. Frau Wenda war bis zu ihrer Pension 1970 genau 30 Jahre lang Straßenbahn-Schaffnerin bei den Wiener Linien. Stationiert war Emma Wenda am Bahnhof Favoriten. Damals war der Bahnhof mit seinen 1.200 Mitarbeiter*innen der größte Bahnhof der Wiener Linien. Als Schaffnerin fuhr Emma auf einigen Linien, die auch 50 Jahre nach ihrer Pensionierung noch immer durch Wien fahren, etwa die Linien 18, 6, O oder D. Einige ihrer Linien gibt es heute nicht mehr, zum Beispiel den J-Wagen.

Aber zurück zum Beginn: Die gelernte Köchin musste sich 1940 umschulen lassen und einen sogenannten „Männerberuf“ erlernen. Während des Krieges waren die meisten Männer an der Front. Viele Frauen waren daher im öffentlichen Dienst im Einsatz, auch bei der Straßenbahn. So auch Emma Wenda. „Wenn ich Unterbrecher-Fahrten hatte (Anmerkung: Dienst mit mehrstündigen Pausen dazwischen), bin ich zwischendurch nach Hause gefahren und hab für mich und meinen Mann gekocht. Im Winter war diese Zeit gut, um mich in der warmen Stube aufzuwärmen. In den offenen Waggons war es immer sehr, sehr kalt“, erinnert sich die ehemalige Schaffnerin.

Die Schaffner*innen mit der Zwickzange

In früheren Jahren waren Schaffner*innen jene Bediensteten, die unmittelbar Kontakt mit den Fahrgästen hatte. Sie hatten die Aufgabe Tickets zu verkaufen und zu kontrollieren. Bis 1961 wurden die Fahrscheine mit Zwickzangen entwertet. Das galt als kleine Wissenschaft, denn die Tickets mussten drei Mal gelocht werden. 

1. Loch: Uhrzeit im Wochentagsfeld, 
2. Loch:. Linie bzw. Strecke unter gleichzeitiger Angabe der Zone bzw. des Sektors und 
3. Loch: Fahrtrichtung und Betriebswoche. 

Die Zwickzangen wurden später durch moderne Stempelzangen ersetzt. 1964 startete der Probebetrieb eines schaffnerlosen Beiwagen mit Fahrscheinentwerter. Am 20. Dezember 1996 waren die letzten Schaffner*innen auf der Linie 46 unterwegs. Somit war die Ära der Schaffner und Schaffnerinnen zu Ende.

Stark & Mutig

Der Straßenbahner-Beruf war nicht immer leicht – vor allem während des Krieges. Die Verkehrsbetriebe verzeichneten 1945 gewaltige Kriegsschäden. Sechzig Prozent des Wagenparkes und 12 Kilometer Schienen waren zerstört, 270 Kilometer Oberleitung und 500 Masten vernichtet. Von den 19 Betriebsbahnhöfen waren zwölf beschädigt. Der Bahnhof Favoriten wurde auch durch einen Bombenangriff schwer beschädigt. Die Dachkonstruktion der Halle musste abgetragen werden, die Gleisanlagen blieben aber weiter in Betrieb. Bis heute werden hier Fahrzeuge im Freien abgestellt. KollegInnen nennen sie daher manchmal „Freilufthalle“. 

Von diesen schrecklichen und grausamen Geschehnissen erzählt Emma Wenda auch viele Jahrzehnte danach noch sehr schockiert: „Ich habe die Nazis gehasst. Deshalb wollte ich den Burschen von der Hitlerjugend nie etwas geben. Sie haben bei der Gehaltsauszahlung immer vor dem Wiener Linien Gebäude gewartet, um Spenden zu sammeln. Ich wollte, dass der Krieg endet.“

Emma Wenda bewies während des Krieges immer wieder ihre Zivilcourage. Einmal zum Beispiel stieg ein SS-Offizier zu ihr in die Straßenbahn. Er wollte einen jüdischen Mann aus ihrer Straßenbahn werfen. Das hat die couragierte Schaffnerin mit viel Mut verhindert. Schon damals galt: Jeder mit einem gültigen Fahrschein darf Teil der größten Fahrgemeinschaft der Stadt sein.

Öffi-Liebe

Ihren Mann, Josef Wenda, hat Emma bei der Arbeit kennen und lieben gelernt. Er war Betriebs-Oberkontrolleur. Später wurde ihm der Titel „Kanzlei-Kommissär in Ruhe“ für seine ausgezeichnete Arbeit verliehen. Kurz nach Kriegsende heiratete sie ihren Arbeitskollegen.

Hobby in der Pension: Mit der Bim zur Endstation

Die Verbundenheit zu den Öffis blieb ihr auch in der Pension. „Wenn ich an einem Tag nichts vor hatte, machte es mir immer Spaß, in eine Straßenbahn einzusteigen und bis zur Endhaltestelle zu fahren. Ich war immer neugierig, wo ich dann rauskomme. So habe ich mir ganz besondere Ecken von Wien angeschaut“, erzählt die 107-jährige Dame. 

Dieses To-Do werden auch wir uns für die nächsten freien Wochenenden vorknöpfen 😉 Ein paar Ideen für spannende Bim-Routen findet ihr bereits auf unserem Blog:

Sightseeing mit der Linie O: No sleep till Praterstern
Sightseeing Tipp: Mit der Linie D quer durch Wien

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Kommentare (5)

  • auch meine Grossmutter war zu dieser Zeit Schaffnerin in Favoriten ( Maria Hartmann)
    später auch meine Mutter ab ca 1950 bis zur Pension am Koppreiter Bahnhof

  • Kannsta nix daitsch?
    Einige ihrer Linien gibt es heute nicht mehr, zum Beispiel deN J-Wagen.
    1964 startete der Probebetrieb eines schaffnerlosen BeiwagenS mit Fahrscheinentwerter.
    Aber warum ich eigentlich schreib: damals gabs noch keine Tickets, da hatten wir ganz schlicht und österreichisch FAHRSCHEINE!
    Ansonsten sehr interessante Geschichte.

  • Vielen Dank für diese tolle Geschichte 🤗
    Einige meiner Verwandten haben auch bei den Wiener Linien gearbeitet, jedoch sind sie leider schon verstorben 😔