Nußdorf: Linie D
Den „D-Wagen“, wie er im Volksmund gerne genannt wird, kennen spätestens seit Wolfgang Ambros‘ 1978er Hit „Schaffnerlos“ vermutlich die meisten WienerInnen. Ausgehend vom Hauptbahnhof und vorbei an den vielen Sehenswürdigkeiten der Ringstraße schlängelt sich die Linie D munter hinaus in den Norden Wiens, ins malerische Nußdorf. Verwinkelte Gassen, alte, niedrige Häuschen und vor allem viel Grün rundherum prägen das Ortsbild des ehemaligen Weindorfes und machen das Grätzel rund um die Umkehrschleife der Linie D zu einem idealen Ausflugsziel für Groß und Klein.
Beim Aussteigen sticht sofort das Restaurant „Einkehr zur Zahnradbahn“ ins Auge. Dieser besonders geschichtsträchtige Ort war bis ins Jahr 1922 Endstation einer Zahnradbahn, der so genannten Kahlenbergbahn. 1873 erbaut und ein Jahr darauf eröffnet, zählte die Kahlenbergbahn zu damals nur drei Zahnradbahnen weltweit. Die anderen gab es in den USA und der Schweiz. Zwischen D-Endhaltestelle und Restaurant erinnert heute eine hölzerne Gedenktafel an die Bahn. Sonst zeugen lediglich das ehemalige Stationsgebäude, in dem sich nun die „Einkehr zur Zahnradbahn“ befindet, sowie die als Fußweg erhaltene Trasse von diesem Stückchen Wiener Verkehrsgeschichte.
Auch sonst hat das am Fuße des Kahlenbergs gelegene Nußdorf, das seinen Namen vermutlich aufgrund der vielen, dort wachsenden Nussbäume erhielt, einiges zu bieten. So ist die Endstelle der Linie D beispielsweise Ausgangspunkt des elf Kilometer langen Stadtwanderweges 1. Er führt wackere SpaziergängerInnen über den unmittelbar hinter der Endstelle beginnenden Beethovengang und durch den Wienerwald auf den Kahlenberg. Dort gibt es als Belohnung einen herrlichen Blick über Wien. Nur acht Gehminuten von der Umkehrschleife der Linie D entfernt befindet sich auch das Lehár-Schikaneder-Schlössel. Unter anderem wurde es als ehemaliger Wohnsitz von Emanuel Schikaneder, Textdichter von Mozarts „Zauberflöte“ bekannt. Gegen Voranmeldung kann das Schlössel besichtigt werden, doch ein bloßer Blick von außen lohnt sich bereits.
Auch der nahegelegene Nußberg ist ein beliebtes Wander- und Ausflugsziel. Besonders im Herbst, wenn die Weinblätter golden in der Sonne leuchten und lokale Winzer inmitten der Reben ihre Produkte ausschenken, lädt Nußdorf zum Träumen und Genießen ein.
Neuwaldegg: Linie 43
Dort wo Hernals allmählich ländlich wird und der Wienerwald sich auszubreiten beginnt, liegt im Westen Wiens Neuwaldegg. Hier endet die Straßenbahnlinie 43, die seit 1907 Menschen aus den dicht verbauten Bezirksteilen rund um den Gürtel, den Elterleinplatz oder die Wattgasse ins Grüne bringt.
In die nahe gelegene Schwarzenbergallee, weiter zur Marswiese mit ihren unzähligen Sportmöglichkeiten (Tennis, Klettern, Fußball etc..) oder einfach zum Wandern in den Wienerwald. Die gleichnamige 43er-Endstelle ist Ausgangspunkt des Stadtwanderweges 3 Richtung Hameau. Auch das Neuwaldegger Bad und das barocke Neuwaldegger Schloss liegen nur wenige Gehminuten entfernt. Die Straßenbahn umrundet hier die St.-Anna-Kapelle am Rudolf-Kirchschläger-Platz, benannt nach dem ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten. Die Kapelle war lange vor der Bim hier, als Neuwaldegg noch eine eigenständige Gemeinde war (Eingemeindung 1892). Schon 1713 stand hier eine hölzerne Pestkapelle, die später erweitert und vergrößert wurde. Ein Blick hinein ist übrigens möglich.
Direkt vor der Kapelle erinnert – von den Fahrgästen meist übersehen – ein Gedenkstein an den 80. Geburtstag von Kaiser Franz Josef I. Der „Verein der Gärtner und Gartenfreunde in Dornbach und Umgebung“ pflanzte hier 1910 eine Eiche zu Ehren „seiner Majestät“. Zu dieser Zeit passt auch das hölzerne Haltestellenhäuschen in Neuwaldegg. In der Farbgebung erinnert es an das Grün der historischen U6-Stationen Otto Wagners am Gürtel. In Neuwaldegg spürt man beim Aussteigen aus der Straßenbahn noch ein bisschen den Wind der Jahrhundertwende.
Pötzleinsdorf: Linie 41
Ein weiteres Schmankerl in Sachen Umkehrschleifen ist jene der Linie 41 im gleichnamigen Pötzleinsdorf. Am Fuße des Schafbergs haben wir erneut einen Tipp für Entdeckungskundige im Westen der Stadt.
Obwohl er seit 1907 auf den Gleisen Wiens unterwegs ist, fährt der 41er erst seit 1924 auf seiner heutigen Strecke zwischen Schottentor und Pötzleinsdorf. Bis dahin war die ehemalige Haltestelle Schottengasse Startpunkt der Linie 41. Die Umkehrschleife Pötzleinsdorf wurde erst knapp 36 Jahre später, im August 1960, fertiggestellt.
Ein absolutes Highlight Pötzleinsdorfs ist der direkt am gleichnamigen Schloss liegende Pötzleinsdorfer Schlosspark. Auf über 35 Hektar Fläche besticht die Parkanlage durch die vielfältige Tierwelt, die sich mit etwas Geduld und ein bisschen Glück gut beobachten lässt. Hunde sind aus diesem Grund leider verboten, was wir aber sehr schnell verzeihen, als der erste Rehbock aus dem dichten Gebüsch heraus direkt an uns vorbeispringt. Wem das Beobachten nicht ausreicht raten wir, einen Abstecher zum Streichelzoo zu machen. Erst 2013 wurde hier eine vergrößerte und modernisierte Tieranlage für Kärntner Brillenschafe und Zwergziegen eröffnet. Auch der großzügig angelegte Kinderspielplatz lockt zusätzlich Familien mit Kindern in den Schlosspark. Ein ganz besonderer Tipp: Entlang des Hauptweges zum Schloss befinden sich vier Attikastatuen aus dem im Jahr 1881 ausgebrannten Ringtheater. Wer findet sie alle?
Abseits des Pötzleinsdorfer Schlossparks bieten sich der Schafberg und das gleichnamige Schafbergbad als Ausflugsziele rund um die Endstelle der Linie 41 an. Auch wenn der Aufstieg durchaus steil ist, lohnt sich der Weg. Nur wenige Gehminuten von der Straßenbahn entfernt liegt nördlich des Pötzleinsdorfer Schlossparks das Geymüllerschlössel aus dem frühen 19. Jahrhundert. Es ist heute eine Expositur des Museums für Angewandte Kunst (MAK). Vor Einbruch der Dunkelheit machen wir noch einen Abstecher zur direkt beim Schlössel gelegenen, ehemaligen Pfarrkirche Pötzleinsdorfs, der Ägydiuskirche. Am Platz vor der Kirche finden wir noch zwei relativ gut erhaltene Grabsteine aus der Barockzeit.
Prater Hauptallee: Linie 1
Wer das Wort Prater hört, denkt beim gleichnamigen Vergnügungspark zunächst eher an das Riesenrad als an Erholung. Dabei bietet vor allem die Prater Hauptallee eine willkommene Ruheoase abseits des hektischen Treibens der inneren Stadt. Die gleichnamige Endstelle der Linie 1 ist also längst kein Geheimtipp mehr. Man steigt hier praktisch inmitten der "grünen Lunge" der Stadt aus.
Wer Erholung sucht, ist hier richtig. Mächtige Kastanienbäume zieren diese historische Allee und laden dazu ein, tief durchzuatmen. Direkt an die Umkehrschleife geschmiegt liegt ein kleines Beisl mit typischem Wiener Charme. Neben traditioneller Wiener Küche bietet das „1er-Stüberl“ sogar die Möglichkeit, selbst zu grillen.
Da die Prater Hauptallee auch abends gut beleuchtet ist, erfreut sie sich besonders innerhalb der Laufcommunity reger Beliebtheit. Verlässt man die Hauptallee in Richtung Donau, gelangt man nach etwa zehn Gehminuten zum Gelände der ehemaligen Rotunde. Der anlässlich der Weltausstellung 1873 errichtete Kuppelbau fiel 1937 einem verheerenden Brand zum Opfer und wurde gänzlich zerstört. Heute befinden sich hier die Gebäude des neuen Campus der Wirtschaftsuniversität Wien.
Wir schlendern weiter zu einem der schönsten Freizeitgebiete Wiens, der Jesuitenwiese. Die rund 11 Hektar große Wiese gegenüber der 1er-Umkehrschleife bietet nicht nur HobbysportlerInnen reichlich Platz zum Austoben. Wenn im Winter die Temperaturen sinken und die Schneekanone den Rodelhügel in weiß taucht, beginnen Kinderaugen zu leuchten. Für Sportbegeisterte lohnt sich abseits des 20 Gehminuten entfernten Ernst-Happel-Stadions auch ein Besuch des Baseballparks Spenadlwiese. Auch das Stadionbad, das Heustadlwasser mit Bootsverleih und die Haltestellen der Liliputbahn sind von der Endstelle der Linie 1 nur wenige Minuten entfernt.
Grinzing: Linie 38
Weinberge, Heurige, Most und Liptauerbrote kommen uns in den Sinn, wenn wir an Grinzing denken. Doch der am Fuße des Cobenzl im Nordwesten Wiens gelegene Weinbauort beherbergt nicht nur Buschenschanken, sondern auch den Endpunkt der der Linie 38. Hier durchfährt die Straßenbahn einen mächtigen Torbogen, bevor sie in der Endstelle, die noch etwas den Geist des frühen 20. Jahrhunderts in sich trägt, zum Stehen kommt.
Die unzähligen Heurigen prägen nach wie vor das Ortsbild, immerhin gilt Grinzing nicht ohne Grund als „Urheimat des Wiener Weines“. Gerade die Gegend um die 38er-Endhaltestelle wirkt wie ein kleines Weinbauern-Dörfchen am Lande. Besonders sehenswert ist auch die nur wenige Gehminuten entfernte Grinzinger Pfarrkirche. Die Orgel der barocken Kirche genießt einen Status besonderer Berühmtheit unter der Grinzinger Bevölkerung – und das aus gutem Grund. Örtlichen Überlieferungen zufolge sollen hier immerhin keine geringeren als Ludwig van Beethoven und Franz Schubert musiziert haben.
Wenngleich Grinzing oft der Ruf nachhängt, zu touristisch geworden zu sein, beschleicht einen beim Verlassen der Bim fast sofort das Gefühl, der Stadt selbst nah und doch fern zugleich zu sein. Nicht an vielen Orten fällt es so leicht, vom hektischen Alltag abzuschalten. Während wir unsere Runden durch die verspielte Ortschaft drehen, fühlen wir uns sogar selbst fast wie TouristInnen in der eigenen Stadt.