Bei 25 Bim- und 32 Buslinien gibt es ab September neue Linienführungen und Umsteigepunkte.

Die Öffi-Flüsterer

Die U1-Verlängerung am 2. September 2017 ist nur die auffälligste von mehreren Veränderungen im Wiener Öffi-Netz: Bei insgesamt 25 Bim- und 32 Buslinien gibt es ab da nämlich neue Linienführungen und Umsteigepunkte, 40 Haltestellen bekommen neue – logischere – Namen. Mit eine der größten Herausforderungen: Diese Veränderungen und die damit verbundenen neuen Wege und Möglichkeiten den Fahrgästen mitzuteilen.

Text und Fotos: Thomas Rottenberg

Franz Schebeck weiß eines schon jetzt: Irgendwer wird sich beschweren. Das ist ein Naturgesetz. Weil sich immer wer beschwert. Auf der ganzen Welt – und besonders in Wien. Denn es gibt wenig, was der Wiener und die Wienerin noch weniger mögen als Veränderungen. Weil Veränderung Gewohntes ablöst. Das ist unbequem – sogar dann, wenn das Neue gut ist. Und viel besser als das Vorher: Sobald man sich dran gewöhnt hat, ist es eh wieder normal. Und soll sich ab da nicht mehr ändern.

Franz Schebeck weiß das. Denn er ist für Veränderungen zuständig. Genauer: Der 57-Jährige und sein Team von der Fahrgastinfo der Wiener Linien informieren die Wienerinnen und Wiener über all das, was sich am Anfang September bei den Öffis ändert: die U1-Verlängerung nach Oberlaa, die Verlängerung der Linien 60 und 10 anstelle der Linie 58, die Auskreuzung der Linien 2 und 44 am Johann-Nepomuk-Berger-Platz sowie dass in der Morgenspitze jeder U2-Zug bis in die Seestadt fährt. Und sie sagen ihnen auch, wie sie ab dann besser, schneller, komfortabler und effizienter von A nach B kommen. Schließlich will man mit den Öffis ja nicht auf gut Glück ins Blaue fahren, sondern zur Arbeit fahren. Oder in die Schule. Oder wohin auch immer.

Schebeck und seine 30-köpfige Mannschaft tauschen deshalb gerade all jene Schilder, Tafeln, Pfeile, Hinweise und Aufschriften aus, die geändert werden müssen. Wenn ab 2. September 2017 die U1 bis Oberlaa fährt, verbinden 4,6 neue U-Bahn-Kilometer Hunderttausende dann rascher und bequemer mit dem Zentrum – und allen anderen Teilen der Stadt. Das ist super – da sind sich alle einig.

Franz Schebeck ist mit seinen KollegInnen für die Fahrgastinformation zuständig.

Arbeit an allen Fronten

Woran aber kaum jemand denkt: So eine Verlängerung macht nur Sinn, wenn das Öffi-System rundherum darauf reagiert. Wenn Busse und Straßenbahnen die neuen U-Bahn-Stationen anfahren. Allein in Wien Favoriten betrifft die U1-Verlängerung 14 Buslinien, bei denen sich Routen, Fahrt- oder Betriebszeiten oder einfach „nur“ Umsteige-Optionen unmittelbar ändern.

Und das hat wiederum auf zahllose andere Bus- und Straßenbahnlinien Auswirkungen – in ganz Wien. Wie bei einem Spinnennetz: Zieht man an einem Ende an einem Faden, gerät alles in Bewegung. Die U1-Verlängerung und die anderen Netzänderungen sind mehr als ein dünner Faden am Rand – sie führen zur größten Linienumstellung seit Jahrzehnten: 25 Bim- und 32 Bus-Linien sind davon betroffen.

Für die Fahrgast-Info bedeutet das: Arbeit an vielen Fronten. Denn das schnellste, effizienteste und am logischsten aufgebaute Öffi-Netz bringt genau nichts, wenn die Menschen, die es nutzen, nicht wissen, was wann von wo wohin fährt – und wo und wie man am schlauesten und schnellsten umsteigt.

Kurz vor der Netzumstellung arbeiten alle auf Hochtouren.

Und auch eine – vermeintliche – „Kleinigkeit“ wie die Intervallverdichtung der U2 zur Seestadt ab September während der Schul- und Arbeitszeiten wirkt sich auf die Umgebung aus. Schließlich müssen die Anschlusslinienabfahrts- und -anfahrtszeiten harmonisiert werden. Und die Fahrgäste müssen das erfahren.

 

Fahrgastinfo als zentrale Aufgabe

Genau das ist der Job von Franz Schebeck: Er und seine Leute müssen bei 76 Linien an 1688 Haltestellen zahllose Schilder, Tafeln und Beschriftungen ändern. Müssen in 333 Stationen 387 geänderte Umgebungspläne montieren und 3970 neue Fahrpläne anbringen. Und zwar jeden genau dort, wo er hingehört. Und ganz nebenbei müssen auch die Datensätze mit Stationsdurchsagen und Umsteigeoptionen in allen Fahrzeugen umprogrammiert werden.

Die U1-Verlängerung und die U2-Verdichtung sind da zwar die nach außen hin dicksten und auffälligsten „Fische“, aber längst nicht alles, was ab Anfang September neu ist – und nur funktioniert, wenn man es auch kommuniziert:

Wenn etwa die Straßenbahnlinien 60 und 10 verlängert werden und Teile der 58er-Stammstrecke übernehmen, bedeutet das mehr Komfort für die Fahrgäste. Toll, keine Frage. Dass man aber – etwa von der U4 kommend – ab September auf der Kennedybrücke eben nicht mehr zum 58er auf der einen Seite der Station Hietzing muss, sondern zu 60er und 10er auf der anderen, klingt nach einem kleinen Detail. Einer Nebensächlichkeit. Wenn man es weiß. Sonst steht man nämlich mit Sack & Pack & Kinderwagen auf der falschen Seite des Rondeaus – und ärgert sich. 

In der Station Hietzing müssen die Informationen zu den Linien 10, 58 und 60 aktualisiert werden.

Das gleiche gilt in Hernals: Die Straßenbahnlinien 2 und 44 werden ab dem Johann-Nepomuk-Berger-Platz ihre westlichen Streckenäste und Endhaltestellen tauschen, damit Ottakring und Hernals jeweils eine neue Direktverbindung ins Zentrum haben. Klingt gut. Ist es aber nur, wenn man auch weiß, wo genau welche Bim am neugestalteten und verkehrsberuhigten Platz hält, wann und in welchem Intervall sie fährt – und wo und wie man am besten in andere Öffis umsteigt, wenn die Reise weiter gehen soll.

 

Bescheid zu wissen ist das Wichtigste

Es geht bei der schlauen Benutzung der Öffis also vor allem um eines: Um Wissen. Um Kommunikation. Um Information. Um klare, sachliche, unmissverständliche Hinweise, Angaben – und Namen. Denn auch da kann man Dinge klarer, einheitlicher und einfacher gestalten. In ganz Wien. Darum werden per 2. September 2017 auch 40 Haltestellen neu „benamst“. Weil es – nur zum Beispiel – zwar historisch erklärbar, aber trotzdem unlogisch ist, dass es in der Straßenbahn „Dr.-Karl-Renner-Ring“ heißt, in der U-Bahnstation drunter aber „Volkstheater“ steht. Oder dass unterirdisch „Karlsplatz“ heißt, wozu man an der Oberfläche „Kärntner Ring, Oper“ sagt. Ja eh: Wiener und Wienerinnen fällt das meist gar nicht auf – aber Ortsunkundige verwirrt es.

Deswegen haben die Leute von der Fahrgastinfo die Info-Umstellung monatelang generalstabsmäßig geplant, bedacht, organisiert und vorbereitet. Und müssen es jetzt in Windeseile umsetzen: Die alten Pläne dürfen schließlich nicht zu lange, die neuen aber auch nicht zu früh hängen. Und während jeder eine neue U-Bahn, andere Routen und Stationsnamen sieht und bemerkt, ist das bei Fahrplan- und Wege-Informationen ganz und gar nicht so: Die Wienerinnen und Wiener sind nämlich verwöhnt. Sie gehen davon aus, dass diese Informationen da sind – und auch stimmen. Das gilt als selbstverständlich. Die Arbeit von Franz Schebeck wird also nur dann bemerkt, wenn etwas daran nicht funktioniert. Wenn es hakt. Oder wenn irgendetwas anders ist, als es – gefühlt – immer war.

Deshalb wird es Beschwerden geben. Bei Veränderungen ist das eben so. In Wien – und im Rest der Welt. Franz Schebeck weiß das, doch er weiß noch etwas: Das ist nicht schlimm. Denn dank „seiner“ Tafeln, Pläne und sonstigen Infos werden sich die Wienerinnen und Wiener nach zwei oder drei Wochen an neue Namen, Linienführungen und Umsteigewege gewöhnt haben. Sich wieder auskennen. Sich in „ihren“ Öffis wieder zurechtfinden, daheim und wohl fühlen.

Bis sich wieder was verändert – etwa dann, wenn die nächsten U-Bahn-Verlängerung kommt. Aber bis dahin ist noch ein bisserl Zeit.

 

Unsere Netzänderungen ab September 2017 kurz zusammengefasst:

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