Als Marcel Wild Samstag Früh aus dem Fenster sah, hatte er eine erste Ahnung: Ruhig würde sein Dienst wohl nicht werden. Denn der Himmel über dem Haustechniker, war dunkelgrau – und schon am Weg zur Arbeit erwischte ihn der erste heftige Platzregen: „Da wusste ich: Das wird ein spannender Arbeitstag.“
Marcel Wild ist „Troubleshooter“ bei den Wiener Linien. Er gehört zur „schnellen Eingreiftruppe“ bei Pannen oder anderen technischen Problemen. Wild schaut – unter anderem – darauf, dass förder- und haustechnische Anlagen in Wiens Öffi-Stationen funktionieren. Und zwar so, dass es keiner merkt: „Unseren Job“, sagt , Ronald Samer, stellvertretender Leiter der Abteilung Elektro- und Maschinentechnik, „haben wir perfekt gemacht, wenn niemand mitkriegt, dass es uns gibt.“ In Wilds und Poolmanager Andreas Bartsch Zuständigkeit fallen etwa Rolltreppen, Lifte, Lüftungen,: Alles, was nicht selbst fährt – ohne, dass es aber keinen Fahrbetrieb gäbe. All diese Einrichtungen mögen eines gar nicht: Zuviel Wasser.

Doch Wasser gab es am Wochenende mehr als genug: 40 Stunden nach Wilds Dienstantritt listet die interne Betriebsstatistik 250 Schadensfällen. 250 Pannen, Ausfälle und teils fast Super-GAUs – bei denen zum Glück, weder Personen verletzt wurden noch dauerhafter Sachschaden entstand. 250 Einsätze, die dutzende Mitarbeiter der Wiener Linien an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit brachten: Überflutete U-Bahn-Stationen, Liftschächte und Rolltreppen stehen da neben Weichen, Lüftungs- und Klimaanlagen oder Trafostationen. Sie wurden durch die Wassermassen ebenso außer Gefecht gesetzt wie, Ladestationen für E-Busse – und von Blitzen oder Wind beschädigte Oberleitungen.
Katastropheneinsatz: „Du funktionierst einfach“
Wasser und elektrische Anlagen vertragen sich nicht. Aber es kam von überall. „Wir haben oft nicht gewusst, was wir zuerst tun sollen,“ erzählt Marcel Wild. Und Aleksander Stevic nickt: „Da kannst du nur Luft holen, Prioritäten festlegen – und arbeiten. Nicht einmal zum Fluchen bleibt da Zeit“. Herbert Graninger sagt: „Du funktionierst einfach.“

Die beiden waren ebenfalls im (Dauer)-Einsatz: Stevic ist Partieführer, Graninger Poolmanager beim Oberleitungsbau: „Kaum waren wir an einer Stelle fertig, waren die nächsten Fälle akut.“
In Deutschland verursachte das extreme Wetter Tote. In Teilen Österreichs massive Überschwemmungen. Wiens Feuerwehr fuhr über 900 Wetter-Einsätze. Dass die 1,8 Millionen Wienerinnen und Wiener davon im Alltag kaum etwas spürten, hat einen Grund: Den Einsatz von Menschen wie Marcel Wild oder Aleksandar Stevic.
Denn nicht nur die Feuerwehr pumpte: Auch 600 Pumpen der Wiener Linien im U-Bahn-System liefen auf Hochtouren. 108 von 109 U-Bahn-Stationen konnten so offengehalten werden. Das war Schwerarbeit: U-Bahn-Stationen liegen, der Name sagt es, meist tief. Oft tiefer als der Kanal. Läuft ein Kanal über, ist klar, wo das Wasser hinrinnt: Zum nächsten tieferen Punkt. Etwa in Liftschächte oder Stationsanlagen.
250 Störfälle. Gleichzeitig. Überall. Aber: Die Öffis fahren
Ein Wochenende wie dieses gab es für die Wiener Linien noch nie. Das Gute: Niemand wurde verletzt. 90 Prozent der Lifte, Rolltreppen und anderen Einrichtungen waren am Montag wieder in Betrieb. Und der Fahrbetrieb konnte aufrechterhalten werden. Was daran so außergewöhnlich war, war nicht jedes einzelne Problem – sondern ihre Menge. Und dass sie gleichzeitig an 1000 Orten auftraten: Auf technische Pannen oder Störungen vorbereitet zu sein, gehört zu den Standards jedes Infrastruktur-Providers. Dass diese Arbeit nur bemerkt wird, wenn sie nicht perfekt gemacht wird, ist normal: Niemand denkt darüber nach, wieso ein Lift funktioniert – solange er fährt.
Doch auch der beste Techniker kann nicht gleichzeitig an mehreren Orten arbeiten. Aber: Wie stemmt man 250 Schadensfällen die gleichzeitig und über die ganze Stadt verteilt auftreten?
Darum betont Sabine Wimmer, die stellvertretende Hauptabteilungsleiterin für das Bau- und Anlagenmanagment der Wiener Linien, voll Stolz: „Unsere Mitarbeiter haben Unglaubliches geleistet. Jene, die Dienst oder Rufbereitschaft hatten – und auch, die sich von sich aus zum Dienst meldeten: Ohne sie hätten wir das nicht so gut in den Griff bekommen.“
Öffifahren: gelebter Klimaschutz
Und jetzt? „Wir evaluieren im ersten Schritt und überlegen ob es Verbesserungmöglichkeiten für kommende Schlechtwetterereignisse gibt“, erklärt Wimmer, weiß aber sehr genau: Damit kommt man eventuell den „Symptomen“ solcher Wetterkapriolen besser bei. Das Grundproblem aber liegt anderswo – und ist fundamental: Klimaforscher wissen, dass solche Wetterextreme Teil des Klimawandels sind. Es wird sie in Zukunft öfter geben.
Wimmer bringt es auf den Punkt: „Solche Ereignisse lassen bei uns die Alarmglocken läuten: Wir brauchen intensivere, effizientere Klimaschutzmaßnahmen.“ Dies ist ein Auftrag an die Politik, aber auch an jeden von uns: „Die Wahl des Verkehrsmittels ist ein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz. Mit den Öffis zu fahren ist ein zentraler Beitrag: Das müssen wir noch stärker betonen.“
Laut und deutlich Danke sagen
Außergewöhnliche Ereignisse bedürfen außergewöhnlicher Maßnahmen. Darum machen die Wiener Linien diesmal etwas, Ungewöhnliches: Der Kraftakt, der da im Hintergrund stattfand, wird laut und öffentlich angesprochen. Die sonst unsichtbaren Mitarbeiter vor den Vorhang gebeten – um ihnen für diesen Megaeinsatz für die Stadt laut und deutlich „Danke“ zu sagen.
Denn das Klassisch-Wienerische „guad is’ gangen – nix is’ g’schehn“ wäre dumm: Ohne den Einsatz der Kollegen der Abteilung Elektro- und Maschinentechnik wäre am Wochenende passiert, was für die Wienerinnen und Wiener unvorstellbar ist: Wien wäre ohne Öffis im Regen gestanden. Und zwar wortwörtlich.

Kommentare (3)
Ich sage auch danke, möchte aber nicht so viele falsch gesetzte Beistriche lesen. Es gibt kurze, günstige Weiterbildungskurse für richtige Interpunktion…
Ich bin stolz auf unsere Wiener Linien und deren gesamtes engagiertes Personal. Danke wieder einmal dafür.
Toller Artikel. Wirklich toll solche Ereignisse und die essentiellen Personen dahinter vor den Vorhang zu holen. Ich bin beeindruckt.
Danke an alle im Kampf gegen den Klimawandel.